Interview: Kitesurfen für gehörlose Menschen

Wir dürfen vorstellen: Laura aus der Schweiz! Sie hat in kurzer Zeit massive Erfolge am Wasser gefeiert und ordentlich Gas gegeben – ja wir waren beeindruckt. Ihre Eindrücke und Erfahrungen nach dem Kitecamp im folgenden Interview. 

Kitesurferin lächelt im Wasser

Kitesurfen für Gehörlose mit LakeUnited - Interview

LAKEUNITED: Eine Woche Kitecamp. Etwas ganz Neues für uns und natürlich auch dich. Laura, wie hast du diese Woche in Dänemark erlebt?

Laura: Wahnsinnig viel Adrenalin auf dem Wasser. Das Konzept des Camps mit Kiten und dem sozialen Austausch zwischen Instructoren und Teilnehmer(innen), d.h. das gemeinsame Erleben, war sehr positiv. Eine tolle Erfahrung, welche man mitnimmt. Meine Erfahrung mit schlechten Instruktoren im letzten Jahr, wurde durch das LakeUnited Konzept weit übertroffen. Die Begeisterung am Kiten steckte alle an. I was stoked !

Ringkøbing Fjord von oben

LAKEUNITED: Gab es etwas, das für dich schwierig war?

Laura: Schwierig? …mhm… ich glaube, das Schwierige war für mich eher die österreichische Gebärdensprache. Auch für Gehörlose gibt es sprachliche Barrieren. Ich kam als einzige aus der Schweiz und ich war nicht mit der Wiener Gebärdensprache vertraut. 

Die Geschwindigkeit und der Dialekt waren für mich nicht einfach zu verstehen.Trotzdem gibt es etwas Schönes an dieser kulturelle Gebärdensprache, es hat die Vielfalt wie alle andere Sprachen. Ich durfte dafür neue Gebärden kennenlernen, und meinen Gebärdensprache-Wortschatz erweitern. Kennt ihr noch die Gebärde für „Oida“? 

LAKEUNITED: Gab es Ängste, welche du eventuell im Vorfeld hattest?

Laura: Ängste hatte ich keine. Ich wusste, dass ich gut aufgehoben sein würde und die Sicherheitsregeln wurden klar und verständlich kommuniziert. Ich war bereits vor dem Camp sicher, dass meine Fragen im Umgang mit dem Kite und das „Safety Handling“ beantwortet werden.

Etwas Respekt hatte ich vor dem kalten Wasser. Ich war überrascht, dass ich irgendwie diese Herausforderung überwinden konnte, als „Gfröörli“.

LAKEUNITED: Du hast extreme Fortschritte beim kiten gemacht und wirklich schnell gelernt. Wie waren die Stunden am Kite für dich?

Laura: Das waren die abenteuerlichsten Stunden, die ich wohl auf dem Wasser erleben durfte! Der Spot ringsum Ringkobing in Dänemark fordert dich heraus. Kiten im Flachwasser in der Umgebung der dänischen „Hygge“ – Natur. Die Kraft der Natur spüren und die Unterschiede zwischen den Sonnenmomenten und strömenden Regen. Wind, auch mal kiten im Nebel. Da die Kite – Kontrolle und den Fahrstil gleichzeitig anzupassen war eine Herausforderung und Erfahrung pur. Ich liebte diese Kombination!

Dame macht einen basic jump mit dem Kite
"Liebe Gehörlose: Ergreift die Chance das Kiten zu lernen und vielleicht entwickelt ihr euch so weit, dass ihr Kiteinstructor(innen) werdet!"

LAKEUNITED: Wie war das auch eine Woche nur gebärden zu können? Ist das eigentlich selten?

Laura: In einer Sportart, in welcher Leidenschaft und Freude ausgelebt werden kann und es zusätzlich keine Sprachbarrieren gibt, d.h. man versteht die Instruktion und Informationen ganz, macht sehr viel Freude, welche man auch teilen kann. Miteinander Kiten, die Freude am Sport und sich austauschen (ohne Kommunikationsbarrieren) ist sehr selten.

Es entsteht ein Gefühl des Miteinanders und nicht ein Gefühl des ausgegrenzt zu sein. Ich wünsche mir, dass solche Erlebnisse und Erfahrungen eben nicht mehr so selten sind.

LAKEUNITED: Was hat dir besonders gefallen?

Laura: Dass Brücken für die Kommunikation für uns geschaffen wurden!!

LAKEUNITED: Womit hast du nicht gerechnet? Oder hat dich etwas überrascht?

Laura: Überrascht haben mich die Wasserbedingungen: Das Flachwasser, so glatt und dass man „endlos“ kiten kann. Man fühlt sich sicher dort. Überrascht wurde ich von mir selbst, wie rasch ich das Kiten verstehen und umsetzen konnte. Ich glaube es war weil ich viel Motivation von euch gespürt habe. Ihr vermittelt mir Vertrauen, dass ich das kann. Ihr habt ein starkes Gespür, wo die Teilnehmer(innen) im Können stehen und was ihr ihnen zutrauen könnt. 

Mich überraschte auch der Mut, dass ihr als LakeUnited dieses Camp einfach mal ausprobiert. So offen, spontan auf Neues zu sein, aber auch kreativ zu bleiben und sich visuell auf dieses Projekt eingelassen zu haben. „Ihr seid einfach mega lässig! Da können sich viele eine Scheibe von euch abschneiden!“

LAKEUNITED: Wie empfandest du das Zusammenleben im gemeinsamen Haus?

Laura: Das war «Hygge» pur. Vor allem das gegenseitige Verständnis und die Unterstützungen mit Worten und Gebärden, war sehr schön. Es gibt wenige Möglichkeiten, wo sich zwei (Geprächs-) Kulturen treffen können und sich ohne Vorurteile motiviert begegnen.

LAKEUNITED: Was möchtest du unbedingt noch teilen?

Laura: Das Team LakeUnited baute die Barrieren zwischen Hörenden und Gehörlosen ab, weil die Begeisterung für das Kiten uns verband. Die Berührungsängste konnten von Anfang an rasch abgebaut werden, bzw. es gab sie nicht.  Und somit trägt LakeUnited wesentlich zur Akzeptanz zwischen der Kultur der Gehörlosen und hörenden Gesellschaft bei.

Und liebe Gehörlose: Ergreift die Chance das Kiten zu lernen und vielleicht entwickelt ihr euch so weit, dass ihr Kiteinstructor(innen) werdet!“

LAKEUNITED: Sehen wir dich also 2020 wieder in Dänemark?

Laura: Ich wäre gerne wieder dabei. Leider bin ich nächsten August im Praktikum und kann keinen Urlaub nehmen. Ich studiere gerade Physiotherapie. Aber dafür werde ich an anderen Camps von LakeUnited teilnehmen, da ich überzeugt bin, dass der Austausch zwischen Hörenden und Gehörlosen Brücken schlägt. Weil WIR zusammen Kiten, das verbindet uns und wir teilen uns die Freude daran. Das Kennenlernen anderen Menschen ist bereichernd für mich. Und wer weiss, vielleicht gibt es mehr als nur ein Kitecamp für Gehörlose im August, sondern auch mal übers Jahr. Darum sage ich: bis bald!

LAKEUNITED: Was würdest du jemanden empfehlen, der gerade überlegt dort mitzumachen?

Laura: Im Camp hat man als gehörlose Person die Chance, dass man das Verständnis am Kiten vermittelt bekommt auf uns angepasste Kommunikationsbedürfnisse. So erreicht man schneller ein Können. Die Instructors nehmen sich ZEIT für die Kommunikation und man fühlt sich wahrgenommen. Man braucht weniger Energie zu verstehen und ist nicht ausgegrenzt. Wir begegnen uns auf «Augenhöhe», das sind positive Erfahrungen, welche man auch in den Alltag mitnimmt. Es gibt auch keine Unsicherheiten im Verhalten zwischen Hörenden und Gehörlosen. Der «Kampf für Kommunikation» kennen viele Gehörlose. Ich möchte deshalb alle Gehörlosen motivieren, nicht aufzugeben und z.B. in diesem Camp zu erfahren, dass es auch andere Wege gibt, die wir dankbar annehmen und schätzen können.